Meine Erfahrung mit dem Meditationskurs für Einsteiger – Vipassana@Home von Adriaan van Wagensveld

Veröffentlicht am Kategorisiert in Achtsamkeit kultivieren, Meditieren lernen
Rezension Meditationskurs Vipassana

Wer sich mit Achtsamkeit oder Mindfulness auskennt oder sich für diese Varianten der Meditation interessiert, weiß, dass nicht an jeder Ecke ein Meditationskurs für Vipassana zu finden ist. Zu den Vipassana Experten gehört sicher Adriaan van Wagensveld, der Anbieter und Leiter dieses Einführungskurses in die klassische Vipassana Meditation, die er gerne „Verweilen“ nennt.

Die Vipassana Meditation wird auch Einsichtsmeditation genannt. Es geht darum, nach und nach mehr Einsicht in die eigene Lebenswirklichkeit zu bekommen, also bewusster und gelassener zu leben.

Obwohl oder gerade weil ich selber seit 2018 Vipassana-begeistert bin und regelmäßig meditiere, habe ich mich auf diesen 21-Tage Einsteiger-Kurs Vipassana@Home im Online-Format besonders gefreut. Dieser Einsteiger-Kurs ist extra so konzipiert, dass sowohl Meditations-Einsteiger als auch erfahrene Vipassana-Übende gemeinsam im Online Kurs teilnehmen.
Der Kurs hat vom 01.7.-21.07.2022 live online stattgefunden, kann aber auch als Meditationskurs (Video/Audio) flexibel zur eigenen Übung genutzt werden. Sehr gerne teile ich meine persönlichen Erfahrungen aus diesem ersten Kurs, bei dem ich jeden morgen um 6:00 Uhr live dabei war:

Vipassana-Einsteigerkurs 21 Tage Zeit für neue Gewohnheiten

Der Vipassana@Home Einsteigerkurs findet 21 Tage hintereinander jeden Morgen um 6:00 Uhr statt, wochentags wie auch am Wochenende. Aus der Wissenschaft wissen wir, dass neue Gewohnheiten mindestens 21 Tage brauchen, um sich zu etablieren. Drei Wochen sind für den Einsteigerkurs aus meiner Sicht ein überschaubarer und leistbarer bzw. organisierbarer Zeitraum, kurz genug, um durchzuhalten und lang genug, um erste spürbare Erfahrungen zu machen. Es geht auch nicht darum, diesen Rhythmus beizubehalten, sondern eher darum, einen eigenen alltagstauglichen Rhythmus für sich selbst zu entwickeln. Die Intensität über die 21 Tage hilft Einsteigern, das Potenzial der Vipassana-Meditation für sich zu erkennen. Und das ist meist eine sehr intensive und durchaus emotionale Erfahrung.

Für mich waren diese 21 Tage ein sattes Ankommen in und festigen meiner eigenen Meditations-Routine und Motivation. Nach ungefähr 4 Tagen bin ich automatisch kurz vor sechs aufgewacht, was für mich als Nachteule ungewöhnlich ist. Ich bin gerne (halb schlafend) aufgestanden und auf meinen Meditationsplatz gewechselt, der auch so schön und bequem ist, dass dort alles leichter wurde.

Länge der Vipassana-Meditationen steigert sich sanft

Die Kurseinheiten sind auf eine Länge von 53 Minuten ausgerichtet, mit anschließendem Austausch von ca. 30 Minuten bzw. solange, bis keine kontextbezogenen Fragen mehr offen sind. Am Anfang beginnt jede Kurseinheit zunächst mit einführenden Erklärungen, Erläuterungen und Beispielen, die spannend sind und die Aufmerksamkeit anziehen. Auch die reine Meditation leitet Adriaan eng an, damit sich am Anfang keine:r „verirrt“ und keine:r „verloren“ geht.

Tag für Tag werden die Meditationen länger (Start mit 25 Minuten, standard european meditation time), bis diese am 21. Tag 53 Minuten dauern, natürlich unter Anleitung. Die schleichende Verlängerung, also das sukzessive Hochlaufen der Dauer, haben wir kaum bemerkt. Das ist sehr hilfreich, damit sich nicht nach einem bestimmten Zeitpunkt Ungeduld bemerkbar macht und man innerlich die Uhr im Kopf hat. Durch die unterschiedlichen Erklärungen am Anfang und am Ende der Meditation konnte sich das Zeitgefühl „entspannen“, denn Kontrolle war nicht möglich. Kontrolle zu behalten versucht unser Geist ja die ganze Zeit – und diese Nuss will geknackt werden.

Ganz ehrlich, ich war überrascht, wie schnell bzw. entspannt sich diese 53 Minuten meistens angefühlt haben. Nicht immer, klar. An manchen Tagen zog mich ein bevorstehender Termin immer wieder raus. Das darf ja auch sein. Mir selbst 53 Minuten „Verweilen“ zu gönnen hat mich richtig stolz gemacht.

Inhalte der Vipassana-Meditationen sind didaktisch fein dosiert

Grundlage von Vipassana sind die vier Übungsbereiche der Aufmerksamkeit, die Buddha in seiner Lehrrede (Satipattana Sutta) vor ca. 2500 Jahren in Nordindien gehalten hat. Schon damals hat sich Buddha nicht in Ethik, Ästhetik oder Moral eingemischt, sondern den Weg zur direkten Befreiung im Leben beschrieben. Heute ist die Achtsamkeitspraxis auch bekannt durch den Zenmeister Thich Nhat Hanh.

Adriaan beschäftigt sich seit 19 Jahren sehr intensiv mit diesem Vortrag und dem Thema Achtsamkeit. Als Vipassana-Lehrer hat er seine Retreats gemeinsam mit den Erfahrungen der Teilnehmenden immer weiter verfeinert und die Inhalte alltagstauglich umgesetzt. Gleichnisse und Sprache an unsere heutige Lebenswelt angepasst, denn sonst wäre der Zugang schwierig, anstrengend und wenig motivierend.
Eine große Motivation gibts gleich am zweiten Tag mit der Auflösung des Rätsels um die vielen Gedanken in der Meditation. Bei Vipassana ist das kein Grund zur Sorge, ganz im Gegenteil, so Adriaan:

„Mit ein bisschen Glück bist du wirklich Anfänger und hast die Gelegenheit, um mache nicht so hilfreiche Gewohnheiten in der Meditation dir gar nicht erst anzugewöhnen. … Bei Vipassana ist es NICHT hilfreich deine Gedanken abzuschalten, es ist nicht hilfreich deine Gedanken abzuschotten, auszublenden, oder zu versuchen sie zu verändern, sie zu versuchen zu beenden. Die Gedanken dürfen einfach da sein. Wie wird es dann Meditation, wenn du ständig am Denken bist? Du lässt dieses Denken laufen und du nimmst das Teil von deiner Aufmerksamkeit, was du lenken kannst und lenkst das auf dein Atem spüren. Und auf einer anderen Spur im Hintergrund und vielleicht am Anfang eher im Vordergrund laufen die Gedanken weiter. Du brauchst diese Gedanken in der Vipassana Meditation. Du brauchst das bewusste Wahrnehmen von Gedanken als Gedanken von Denken als Denken.“

Adrian von Wagensveld – Teil seines Wortlautes am Tag 2

Dieser wichtige Transfer in den Alltag ist eine große Kunst, die Adriaan in meinen Augen so besonders macht. Die traditionelle, tiefe Lehre von Vipassana so zu vermitteln, dass es sich für die Teilnehmenden leicht anfühlt und der Sinn schnell zu erfassen ist. Bemerkenswert finde ich seine Bilder und Vergleiche, die den Teilnehmenden den Transfer in den Alltag nachhaltig ermöglichen. Es geht ja nicht darum, Achtsamkeit nur auf dem „Kissen“ zu praktizieren, sondern in das eigene Leben, den Alltag mit all seinen Facetten zu transportieren.

„Vipassana ist natürlich. Es ist nicht, dass du irgendwas tust, vergiss das Wort meditieren, weil da hast du noch immer ein Projekt, bist du noch immer was am Erlangen, kannst du es richtig oder weniger richtig machen. Und ersetze es mit dem Wort verweilen, du bist vor Ort. ….so kannst du auch verweilen in deinem Körper…..und wenn du das übst, wirst du merken, dass du immer wieder abgelenkt wirst, dass du nicht vor Ort bist, sondern in deinen Gedanken, in deinen Erinnerungen, in dein Planen, in dein Mögen, in dein Nicht-Mögen, anderen Orten, immer wieder. Wie kriegst du es hin, um aufzuwachen in diesem Körper, in Körperbewusstsein? Da fängt es an….“

Adrian von Wagensveld – Teil seines Wortlautes am Tag 5

Aktuelle Bilder u. Vergleiche lassen Vipassana lebendig werden

So ist es die Persönlichkeit von Adriaan, die Vipassana in seinen Kursen lebendig werden lässt. Er nimmt immer wieder Bezug zu seinem eigenen Leben, auch zu seinen Hindernissen in der eigenen Meditation. Dazu gehört z.B. „Schläfrigkeit“, es kann also durchaus sein, dass Adriaan während einer Meditation für einen kurzen Moment einnickt, um im nächsten Moment eine glasklare Anleitung zu geben. So wird aus Theorie gleich Praxis. Und es zeigt, dass es bei Vipassana nicht um Erleuchtung geht.

Mir gefällt sein sympathischer Sprachduktus, sein holländischer Akzent und seine Präsenz. Ich persönlich mag z.B. bestimmte Worte, wie „Hirnfunken“, „Geisteskultur“, „Langzeitgeduld“ und einige mehr, weil ich dadurch wieder sehr schnell in die Übung finde.

Zeit für sensiblen Austausch u. Fragen im Anschluss an die Meditation

Nach jeder Meditationseinheit lädt Adriaan zum Austausch ein, zum Fragen stellen, zum Teilen von Erfahrungen. „Jetzt bin ich neugierig, wie es dir geht.“ Aber wer stellt schon gerne morgens gegen 7.00 Uhr Fragen in einer gemischten Gruppe aus Anfängern und Fortgeschrittenen, die gerade eine neue Meditationserfahrung gemacht haben?

Da gehört eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl dazu, diesen Raum für sensiblen Austausch zu öffnen. Fingerspitzengefühl ist die falsche Beschreibung, es ist vielmehr die absolute Gegenwärtigkeit von Adriaan, die Authentizität seiner eigenen Achtsamkeitspraxis. Dadurch ist ein sehr wertvoller Austausch möglich geworden.

In den ersten Tagen geht es darum, Konzentration aufzubauen, zu erkunden, vertraut zu werden mit dem Spüren von Körper und Atem. „Auf Atem zu kommen, Aufatmen“, wie Adriaan so schön sagt. Die Erfahrungen in der Gruppe sind unterschiedlich, viele Fragen aber ähnlich: wie fühlt sich das überhaupt an, wie merke ich, dass Konzentration da ist, oder wie schalte ich meine Gedanken aus? Adriaan antwortet sehr individuell, lädt ein geduldig zu sein, ordnet ein und gibt Impulse, die zum Kontext der Einführung passen, damit es nicht gleich zu komplex wird.

Buddhas Vortrag die 4 Übungsbereiche der Aufmerksamkeit als Arbeitsbuch

Begleitend zum Kurs gibt es ein kleines Arbeitsbuch mit einer neuen Übersetzung von Buddhas Vortrag des Satipatthana Sutta, genauso frei von Fachbegriffen und alten Gleichnissen wie die Erklärungen in den Meditationen. Adriaan bezeichnet es gerne als IKEA-Anleitung zur Befreiung, das gefällt mir, wenngleich es für mich ein Fachbuch bleibt. Und dort lese ich immer wieder rein.

Buddhas Vortrag über die vier Übungsbereiche der Aufmerksamkeit
Buddhas Vortrag über die vier Übungsbereiche der Aufmerksamkeit „Dies ist der direkte Weg zur Befreiung im Leben“ im Hosentaschenformat von Adriaan van Wagensveld als Begleitung zum Meditationskurs

Fazit zum Vipassana-Kurs: für mich ein Geschenk aus Lernen, Erfahren u. Wertschätzen

Eine Rezension eines Meditationskurses kann nur eine sehr persönliche Erfahrung widerspiegeln. Für mich kam der Kurs gefühlt gerade zum richtigen Zeitpunkt, der Juli erleichtert das frühe Aufstehen und das Wetter hebt meist die Grundstimmung.

Du sitzt an einem ruhigen Ort, in all deinen Bedürfnissen gestillt, richtest dich auf und verweilst beim Atem spüren. Spürst deinen Körper, deinen Atem, und zack sind sie da, die Gedanken, Hirnfunken, Widerstände, Sorgen, Bedauern, Planen und und und.
Dazu gehört sicher auch der eine oder andere Widerstand, das nicht einverstanden sein mit den Worten oder Bildern von Adriaan. Das finde ich wichtig und bereichernd, denn es geht nicht darum, genau diese Anleitung als Maßstab anzusehen. Es geht darum bei dir selbst (wieder) anzukommen, dich selbst auf ehrliche, sanfte Weise sukzessive besser kennenzulernen, mit allem, was dich gerade ausmacht.

Wenn du Vipassana für dich erfahren möchtest, ist dieser Einsteigerkurs Vipassana@Home mit seinem Format dazu aus meiner Sicht sehr gut geeignet. Die Rahmenbedingungen sind komfortabel, deine Privatsphäre respektiert, der Preis ist fair und Adriaan ein Experte und gleichzeitig Teil der Gruppe.

Ich persönlich freue mich auf den nächsten Kurs und sehr gerne auf den Austausch über die Kommentarfunktion.

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