Mein Motto für 2023: Zeitwohlstand – Schluss mit „ich muss noch schnell …“

Veröffentlicht am Kategorisiert in Achtsamkeit kultivieren, Persönliches erfahren

Im Dezember ist mir der Begriff „Zeitwohlstand“ in einem Post auf LinkedIn über den Weg gelaufen. Im nächsten Moment war mir klar, das wird mein persönliches Motto für 2023. Das beschleunigte Leben kommt mir jeden Tag absurder vor, mitunter sogar respektlos vor mir selbst und der Natur. Das muss dieses Jahr anders werden, beginnend mit diesem Artikel.

Was bedeutet das Motto „Zeitwohlstand“ für mich genau?

Für mich können die Tage nicht lang genug sein, ich habe immer konkret etwas zu tun oder auch Ideen, was ich noch tun könnte. Das ist kein Hexenwerk, denn heute ist fast alles 24/7 möglich. Bei den Möglichkeiten fängt die Herausforderung schon an, denn ich muss mich heutzutage bewusst gegen unendliche Möglichkeiten entscheiden, um eine Entscheidung für etwas zu treffen. Das stresst unbewusst und erzeugt ein Gefühl von Zeitnot, also das Gegenteil von Zeitwohlstand.

Mir ist es wichtig, meinen Anteil an selbstbestimmter Zeit zu erhöhen, damit meine Zeit mehr Qualität bekommt. Das stelle ich mir unter meinem Zeitwohlstand vor. Reich sein an selbstbestimmter Zeit. Diese Zeit muss sich aber auch so richtig gut, genauer gesagt wertvoll anfühlen. Dazu habe ich bereits eine Idee, denn beim Yoga praktizieren oder auch bei meiner Meditation fühlt sich die Zeit immer gut an. Klar, das sollte ja so sein, denn das ist mein Herzensthema. Es ist aber noch etwas anderes, was die Zeit wertvoll macht. Es ist die Erfahrung des gegenwärtigen Moments, mit allen Sinnen vor Ort, im eigenen Körper zu sein. Absichtslos und ohne Druck, etwas erreichen zu müssen oder zu wollen.

Zeiten, die zählen, sind Zeiten, die wir nicht zählen.

Jonas Geißler

Es gibt einen schönen Hinweis zur Zeitqualität von Jonas Geißler vom Institut für Zeitberatung, „Zeiten, die zählen, sind Zeiten, die wir nicht zählen“. Das ist für mich sehr klar und beschreibt einen Zustand, wenn wir im Flow sind. Das kann in ganz unterschiedlichen Situationen sein, z.B. beim Schreiben, Kochen, Gärtnern, Wandern, Malen, Handwerken, Musizieren oder auch Arbeiten. Wenn wir dabei in unserem ganz eigenen Rhythmus „unterwegs“ sind, statt fest durchgetaktet etwas abzuarbeiten. Als Teil der Natur spüren wir schnell, wie wohltuend der gesunde Wechsel zwischen Aktivität und Regeneration ist. Im Alltag vergessen wir das oft. Das ist mir in den letzten Monaten so bewusst geworden, dass ich jetzt einen anderen Fokus setzen möchte.

Eine eindeutige Definition von „Zeitwohlstand“ gibt es nicht, es ist ein Konzept der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Zeitwohlstand steht für einen immateriellen Wohlstand, der mit der Lebenszeit verknüpft ist und über verschiedene Dimensionen beeinflusst wird. Dazu gehören das Ausmaß der „eigenen Zeit“ (Zeitreichtum etwa in Form von Freizeit, Muße), die Selbstbestimmung über die Zeit (Zeitsouveränität), die subjektive Qualität der gelebten Zeit (entdichtete Zeit, Wohlbefinden) und die Einbindung in Zeitinstitutionen (etwa Wochenenden und Feiertage als gemeinsame Zeit, Bildungsurlaub).

Wie setze ich das Motto Zeitwohlstand im Alltag für mich um?

Mein erster Gedanke ist, Arbeitszeit reduzieren, Urlaubszeit erhöhen. Das geht nur bedingt, denn ich arbeite bereits reduziert drei Tage im Angestelltenverhältnis und zwei Tage als selbständige Unternehmerin. Es ist für mich aber auch keine Lösung, denn die Verantwortung für meinen Zeitwohlstand kann ich nicht abgeben. Wie sagt René Borbonus so schön: „Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich!“ Egal, wie die Rahmenbedingungen aussehen, d.h. auch bei 100 % selbstbestimmter Zeit.

Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich!

René Borbonus

Die größere Herausforderung sehe ich in meiner Selbständigkeit, denn bei meinem Herzensthema habe ich nicht das Gefühl, dass die investierte Zeit reine Arbeitszeit ist. Macht mir ja soviel Spaß und ist doch auch ein sehr sinnvolles Thema, Achtsamkeit und Co. Stimmt, aber auch hier brauche ich einen sinnvollen Ausgleich, einen Rhythmus aus Aktivität und Regeneration. Ein Loslassen, ein Liegenlassen, eine Pause im Bewirken wollen, eine Zeit zum Dösen, zum Sacken lassen. Nichts tun aushalten. Ich bekomme direkt Sehnsucht bei diesem Gedanken. Stille ist für mich ein Geschenk. Also, warum nicht mehr davon machen, was mir guttut?

Wie geht das praktisch? Ich werde Struktur und Disziplin brauchen, um mehr Qualität und mehr selbstbestimmte Zeit in meinen Alltag integrieren zu können. Dazu werde ich meine Aufgaben (Arbeitsschritte, Termine, Gespräche,…) bewusst anfangen und abschließen. So wie ich das beim Yoga auch mache. Damit fließen die Handlungen nicht zu einem großen Gebilde zusammen und erzeugen das Gefühl, nichts anderes sinnvolles gemacht zu haben. Arbeitswege werde ich nicht „verzwecken“, mit dem Ziel so schnell wie möglich zur Arbeit zu kommen und auf dem Weg schon in Gedanken mit der Arbeit zu beginnen, sondern als Weg, der mit allen Sinnen erfahren werden darf. Dadurch entsteht Zeit. Zwischen den Terminen werde ich Zeitpuffer einbauen, damit ich 5 Minuten vor einem Termin Zeit habe, nichts zu tun. Einfach warten und die Zeit genießen. Ich werde sehr regelmäßig morgens meditieren und jeden Tag eine kurze Yoga-Einheit machen als formale Übung für mein Zeitwohlstandskonto.

In der Zusammenarbeit mit Kollegen:innen liegt die Herausforderung darin, das richtige Maß für alle zu finden. Erfahrungsgemäß dauern die meisten Meetings zu lange und fühlen sich dadurch ineffizient an. Die Arbeitsverdichtung hat sehr stark zugenommen und trotz Digitalisierung wird die Arbeit scheinbar nicht weniger. Paradox, oder? So wie es schon das Parkinsonsche Gesetz beschreibt: „Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“ Ein wertvoller Leitgedanke für jedes wertschätzende Meeting.
Und Übergangszeiten zwischen den Terminen gezielt für den Austausch unter Kollgen:innen zu nutzen, rückt den Menschen wieder mehr in den Blick. Das finde ich sehr wertvoll. Lassen wir uns alle weniger verführen.

Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.

Parkinsonsche Gesetz

Woran messe ich meine eigene Zielverfolgung?

Ein Motto oder Ziel zu formulieren ist eine ehrenwerte Sache, sich selber daran zu messen eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich werde meine eigene Herausforderung annehmen, denn ich habe ein klares Gefühl, dass Zeitwohlstand für mich in 2023 einfach dran ist. Genug mit „ich muss noch schnell …“.

Die Menge an selbstbestimmter Zeit werde ich vermutlich ganz gut verfolgen können. Wie bewerte ich die Qualität meiner Zeit? Mal abwarten. Oft ist es der Spiegel, der aus dem Umfeld rückgemeldet wird. Wenn mein Sohn nicht mehr sagen muss „Mama, du hast auch immer nur dein X im Kopf“, scheint mir die Abgrenzung zu gelingen. Gemeinsam gelingen neue Gewohnheiten besonders gut. Vielleicht finde ich in meinem Umfeld den einen oder die andere Mitstreiterin auf dem Weg zu mehr Zeitwohlstand in 2023.

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