Wie kommen wir in die Pötte? Der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht zu den 17 Sustainable Development Goals der 193 UN-Mitgliedsstaaten muss uns wachrütteln! Während von 2015 bis 2019 noch leichte Verbesserungen erreicht wurden, gerät die Entwicklung seit der Pandemie und weiterer Krisen beängstigend ins Stocken. Wie können wir das ändern und was hat das mit den Inner Development Goals zu tun?
An Wissen mangelt es nicht, aber eine äußere Transformation von Technologien, Politik und Verhaltensweisen scheint nicht auszureichen. „Die Art und Weise, wie wir in Bezug auf Nachhaltigkeit denken und handeln, ist an eine Wand gestoßen“, sagt Christine Wamsler, Professorin für Nachhaltigkeitswissenschaft am Lund University Centre for Sustainability Studies in Stockholm. Zum Glück wächst jetzt das Interesse an innerer Transformation für Nachhaltigkeit. Machen wir da doch alle mit!
Seit 2020 forscht die Initiative „Inner Development Goals“ dazu, welche inneren Fähigkeiten wir heute für die Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung brauchen. Es ist eine Non-Profit-Organisation, die ihre Arbeit als Open Source Modell kostenlos zur Verfügung stellt. Innere Transformation ist auch die Kernidee spiritueller Wege, wie der Achtsamkeits- und Yoga-Praxis. Ich sehe hier ein großes Potenzial an Co-Kreation, um Menschen in die Nachhaltigkeitskompetenz zu begleiten. Schön, dass alte Weisheit und neue Forschung gute Freunde sind. Wie sieht das konkret aus?
Was genau sind die Inner Development Goals, kurz IDG´s?
Die Inner Development Goals wurden 2020 offiziell von der Ekskäret Foundation, The New Division und der 29k Foundation zusammen mit einer Gruppe von Forschern, Experten und Praktikern in den Bereichen Führungskräfteentwicklung und Nachhaltigkeit gegründet.
Die Idee ist, Expertenwissen zu vereinfachen und leicht zugänglich zu machen. Die Basis dafür ist das wissenschaftlich fundierte Verständnis für innere Entwicklung mit dem Fokus auf eine nachhaltige Zukunft. So erforscht und vermittelt die Initiative Qualitäten, die uns helfen, ein sinnvolles, nachhaltiges und produktives Leben im Einklang mit den 17 Sustainable Development Goals zu führen.
Aktuell ist ein Orientierungsrahmen entstanden, der in fünf Dimensionen 23 Fähigkeiten und Qualitäten beschreibt, die sowohl für Führungskräfte als auch für uns alle von entscheidender Bedeutung sind. Die fünf Dimensionen „SEIN – Beziehung zu sich selbst, DENKEN – Kognitive Fähigkeiten, BEZIEHUNG – Fürsorge für andere und die Welt, ZUSAMMENARBEIT – Soziale Kompetenzen, HANDELN – Wandel vorantreiben“ werden in einem dynamischen Prozess in Co-Kreation mit dem Input von zunehmend mehr Experten, Wissenschaftlern, Praktikern und Organisationen auf der ganzen Welt evaluiert und weiterentwickelt.
Warum brauchen wir diesen Rahmen? Weil wir augenscheinlich unser Ziel aus den Augen verloren haben und nicht ins Handeln kommen. Weil wir Orientierung an Werten und Kompetenzen brauchen, wie einen Kompass beim Segeln, damit wir alle gemeinsam konsequent in eine zukunftsfähige Richtung navigieren.
Wechselwirkungen zwischen Nachhaltigkeitskrisen und mentaler Gesundheit?
„Gesunde Erde – gesunde Menschen“, die Kernbotschaft von Dr. Eckhard von Hirschhausen und seiner Stiftung bringt den Zusammenhang auf den Punkt. Daran zweifelt heute wohl kaum einer mehr, denn dazu reicht unser Menschenverstand und unser Gespür, sofern wir es zulassen. Das ist aber nicht immer ganz einfach, denn Krisen lösen mitunter Wechselwirkungen aus. Christine Wamsler und Jamie Bristow von der Mindfulness Initiative haben diese Einflüsse in einer Studie untersucht.
Nachhaltigkeitskrisen führen dazu, dass wir uns mental schlecht fühlen, Ängste, Sorgen, Ohnmacht- und Schuldgefühle entwickeln. Psychische Erkrankungen nehmen deutlich zu. Hier taucht der Begriff „Solastalgie“ auf, der das belastende Gefühl des Verlustes beschreibt, das durch das Erleben der Zerstörung des eigenen Lebensraumes/der eigenen Heimat entsteht.
Krisen können auch unbewusst unsere Denkmuster beeinflussen oder verzerren. Wir reden die Auswirkungen klein oder geben anderen die Schuld, um eigene Ängste zu vermeiden. Wir geraten in Stress und damit aktivieren sich unsere Fight-, Flight- oder Freeze-Reaktionen, mit der Folge weniger empathisch oder extremer zu denken und zu handeln. Je schlechter wir uns fühlen, desto eher neigen wir zu nicht nachhaltigen Verhaltensweisen. Das ist nachvollziehbar und in der Gesellschaft an Ess- und Konsumgewohnheiten zu erkennen. „Dicke Bäuche“ spiegeln leider diesen traurigen Einfluss wider.
Die Wechselwirkungen schwächen einerseits unser individuelles Potenzial, motiviert und nachhaltig für uns und die Gemeinschaft zu handeln. Darüber hinaus schränken sie den politischen Handlungsspielraum für kollektives Handeln gegen die Nachhaltigkeitskrisen ein. Auch die Kultur in Unternehmen und Organisationen ist davon beeinflusst. So ist es die Aufgabe von Politik und Wirtschaft, die Initiative der IDG´s maßgeblich zu unterstützen. Diesen ungesunden Kreislauf müssen wir unbedingt durchbrechen.
Das IDG Framework als Kommunikationsprojekt zur inneren Transformation
Wie können wir diese komplexen Abhängigkeiten zwischen Mindset und Nachhaltigkeit in positive Entwicklung bringen? Hier kommt das Inner Development Goal (IDG) Framework ins Spiel. Das IDG Framework, also der Kompetenzrahmen, ist in erster Linie ein Kommunikationsprojekt mit dem Ziel mehr Menschen und Organisationen für die Bedeutung der inneren Entwicklung zu sensibilisieren. Die Initiative möchte ihr Wissen verständlich zugänglich machen und erhebt dabei weder den Anspruch auf die Erfassung der ganzen Komplexität, noch darauf, die gesammelte, menschliche Weisheit zu repräsentieren. Das Projekt ist genauso wie die innere Entwicklung ein lebenslanger, lernender Prozess. Wir sollten das bitte nicht als „Besserwisserei“ verstehen!
Alle IDG Fähigkeiten und Kompetenzen greifen ineinander, bauen aufeinander auf, haben Schnittmengen und entwickeln sich individuell. Gerade in der menschlichen Beziehung untereinander und im Handeln entfalten sich innere Qualitäten spürbar und wirksam in der Praxis, in kollektiven und kulturellen Prozessen. Das IDG Framework ist selbst KEIN Trainingsprogramm, sondern ein neutrales Instrument ohne bestimmten spirituellen oder kulturellen Bezug. Die Neutralität ist ein wesentlicher, vielversprechender Hebel, wie ich finde.
Nachfolgend das IDG Framework, die fünf Dimensionen mit 23 Fähigkeiten und Qualitäten hier nun in der Originalfassung:
SEIN – Beziehung zu sich selbst
Die Pflege unseres inneren Lebens und die Entwicklung und Vertiefung unserer Beziehung zu unseren Gedanken, Gefühlen und unserem Körper helfen uns, präsent, absichtsvoll und nicht reaktiv zu sein, wenn wir mit Komplexität konfrontiert sind.
Innerer Kompass
Ein tief empfundenes Gefühl der Verantwortung und des Engagements für Werte und Ziele, die dem Wohl des Ganzen dienen.
Integrität und Authentizität
Die Verpflichtung und Fähigkeit, aufrichtig, ehrlich und integer zu handeln.
Offenheit und Lernbereitschaft
Eine Grundhaltung der Neugier und die Bereitschaft, verletzlich zu sein, sich auf Veränderungen einzulassen und zu wachsen.
Selbsterkenntnis
Fähigkeit, in reflektierendem Kontakt mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und Wünschen zu sein; ein realistisches Selbstbild und die Fähigkeit zur Selbstregulierung.
Gegenwärtigkeit
Die Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu sein, ohne zu urteilen und in einem Zustand der offenen Präsenz.
DENKEN – Kognitive Fertigkeiten
Das Entwickeln unserer kognitiven Fähigkeiten, indem wir verschiedene Perspektiven einnehmen, Informationen bewerten und die Welt als ein zusammenhängendes Ganzes begreifen, ist eine wesentliche Voraussetzung für kluge Entscheidungen.
Kritisches Denken
Fähigkeit, die Gültigkeit von Ansichten, Beweisen und Plänen kritisch zu überprüfen.
Bewusstsein für Komplexität
Verständnis für und Fähigkeiten im Umgang mit komplexen und systemischen Bedingungen und Kausalzusammenhängen.
Perspektivische Fähigkeiten
Fähigkeiten zur Suche, zum Verständnis und zur aktiven Nutzung von Erkenntnissen aus unterschiedlichen Perspektiven.
Sinnstiftung
Fähigkeiten, Muster zu erkennen, Unbekanntes zu strukturieren und Geschichten bewusst zu gestalten.
Langfristige Orientierung und Visionen
Langfristige Orientierung und die Fähigkeit, Visionen in Bezug auf den größeren Kontext zu formulieren und aufrechtzuerhalten.
BEZIEHUNG – Fürsorge für andere und die Welt
Wertschätzung, Fürsorge und das Gefühl der Verbundenheit mit anderen, z. B. mit Nachbarn, künftigen Generationen oder der Biosphäre, helfen uns, gerechtere und nachhaltigere Systeme und Gesellschaften für alle zu schaffen.
Wertschätzung
Mit einem grundlegenden Gefühl der Wertschätzung, Dankbarkeit und Freude auf andere und die Welt zugehen.
Verbundenheit
Ein ausgeprägtes Gefühl, mit einem größeren Ganzen verbunden zu sein und/oder Teil eines solchen zu sein, wie z. B. einer Gemeinschaft, der Menschheit oder einem globalen Ökosystem.
Bescheidenheit
In der Lage sein, in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der Situation zu handeln, ohne sich um die eigene Wichtigkeit zu kümmern.
Einfühlungsvermögen und Mitgefühl
Die Fähigkeit, anderen, sich selbst und der Natur mit Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl zu begegnen und das damit verbundene Leiden zu bewältigen.
ZUSAMMENARBEITEN – Soziale Kompetenzen
Um bei gemeinsamen Anliegen voranzukommen, müssen wir unsere Fähigkeit entwickeln, Akteure mit unterschiedlichen Werten, Fähigkeiten und Kompetenzen einzubeziehen, ihnen Raum zu geben und mit ihnen zu kommunizieren.
Kommunikative Fähigkeiten
Fähigkeit, anderen wirklich zuzuhören, einen echten Dialog zu fördern, die eigene Meinung gekonnt zu vertreten, Konflikte konstruktiv zu lösen und die Kommunikation an unterschiedliche Gruppen anzupassen.
Mitgestaltungsfähigkeiten
Fähigkeiten und Motivation zum Aufbau, zur Entwicklung und zum Ermöglichen von Kooperationsbeziehungen mit verschiedenen Interessengruppen, gekennzeichnet durch psychologischer Sicherheit und echter Ko-Kreation.
Integrative Denkweise und interkulturelle Kompetenz
Bereitschaft und Kompetenz, Vielfalt anzunehmen und Menschen und Kollektive mit unterschiedlichen Ansichten und Hintergründen einzubeziehen.
Vertrauen
Fähigkeit, Vertrauen zu zeigen und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.
Fähigkeiten zur Mobilisierung
Fähigkeit, andere zu inspirieren und zu mobilisieren, sich für gemeinsame Ziele einzusetzen.
HANDELN – Wandel vorantreiben
Eigenschaften wie Mut und Optimismus helfen uns, echte Handlungsfähigkeit zu erlangen, alte Muster zu durchbrechen, originelle Ideen zu entwickeln und in unsicheren Zeiten mit Ausdauer zu handeln.
Mut
Die Fähigkeit, für Werte einzutreten, Entscheidungen zu treffen, entschlossen zu handeln und, wenn nötig, bestehende Strukturen und Ansichten infrage zu stellen und aufzubrechen und Ansichten infrage zu stellen.
Kreativität
Fähigkeit, originelle Ideen zu entwickeln, innovativ zu sein und bereit, konventionelle Muster zu durchbrechen.
Optimismus
Fähigkeit, ein Gefühl der Hoffnung, eine positive Einstellung und Zuversicht an die Möglichkeit eines sinnhaften Wandels.
Beharrlichkeit
Fähigkeit, das Engagement aufrechtzuerhalten und entschlossen und geduldig zu bleiben, auch wenn die Bemühungen lange Zeit brauchen, um Früchte zu tragen.
Das Potenzial der Achtsamkeitspraxis für innere Transformation im Framework der IDG´s
Wie können wir unsere Soft Skills so trainieren, dass wir uns in allen fünf Kompetenzfeldern nachhaltig entwickeln? Während die IDS´s den Rahmen beschreiben, kennt die Achtsamkeit ein klares Trainingskonzept für innere Transformation zu diesen menschlichen Kompetenzen. Anders als oft vermutet, ist der Übungsweg der Achtsamkeit oder Mindfulness ebenfalls neutral, d.h. frei von religiösen oder kulturellen Prägungen und damit universell einsetzbar. Viele Trainingsprogramme zur Achtsamkeit wie mbsr (mindfulness based stress reduction) und Living Mindfulness sind weltweit zertifiziert und von Krankenkassen unterstützt.
Achtsamkeit als integrativer Ansatz
So wie die fünf Dimensionen der IDG´s ineinandergreifen, so ist die Achtsamkeitspraxis ebenfalls ein integrativer Ansatz, ein ganzheitlicher, persönlicher Entwicklungsprozess zur inneren Transformation. Die praktischen Übungen (Meditationen, Bodyscan, Yoga, Atemübungen, Sinneserfahrungen, u.a.) haben einen starken Bezug zum Körper und zur bewussten Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen und Stimmungen. Es geht nicht darum, intellektuell Probleme zu analysieren und Lösungen zu suchen, sondern aus der zunächst ungewohnten Perspektive des Spürens und Wahrnehmens Erfahrungen zu machen, ohne diese direkt zu bewerten. Darin liegt ein unterschätztes Potenzial, welches an das Zitat von Einstein erinnern lässt: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Achtsamkeit und mentale Gesundheit
Die Achtsamkeitspraxis hat schon bei den Wechselwirkungen der Krisen auf unsere mentale Gesundheit einen großen positiven Einfluss. Wir lernen durch die Übungen unsere eigenen Grenzen zu spüren, zu respektieren und Belastungen frühzeitig auszubalancieren. Das Thema Stressbewältigung spielt eine große Rolle, ungesunde Muster sind gut zu entlarven. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit hilft uns nicht zu erstarren, sondern handlungsfähig zu bleiben!
Achtsamkeit schafft Verbundenheit zu Mensch und Natur
Wir schärfen unser Bewusstsein für Veränderung, Kreisläufe, Verbundenheit und Komplexität im Transfer aus körperlicher Empfindung und Beobachterperspektive. Der ethische Rahmen der Achtsamkeitsqualitäten stärkt Mitgefühl und Dankbarkeit, wichtig für soziales und wertschätzendes Verhalten untereinander und in Beziehung zur Natur und allen Lebewesen.
Achtsamkeit kultiviert unsere gesunde Perspektive
Einen großen Hebel sehe ich in der permanenten Erinnerung an die Kultivierung der eigenen Perspektive. Wohin geht dein Blick, worauf kaust du unnötig herum? Raus aus der Negativitätstendenz, rein in konstruktive, zuversichtliche Handlungsimpulse. Aus einer gesunden, lebendigen Beziehung zu uns selbst, wirklich präsent im Moment, voll da, im Bewusstsein für unsere Gedanken und die Komplexität können wir wertschätzende Beziehungen untereinander aufbauen und pflegen.
Perspektivenvielfalt lernen wir neu zu schätzen und es wird uns Spaß machen, mit dieser Offenheit zusammenzuarbeiten. Mit Geduld und im Vertrauen auf den Prozess kommen wir ins Handeln, jeder auf seinem Weg und doch mit einem gemeinsamen Kompass. Ich bin davon überzeugt, dass uns das Framework hilft, den Faden nicht zu verlieren und über verschiedene Trainingswege nachhaltig und für alle sichtbar Farbe zu bekennen.
IDG´s und Achtsamkeit im Teamwork – gehen wir das in der Praxis an und lernen wir gemeinsam unterschiedliche Formate kennen. Machen macht´s! Ich bin mit meiner ganzen Erfahrung aus Business, Bewusstsein, Achtsamkeit, Yoga und Meditation dabei.
Lust auf Austausch und Co-Kreation? Schreibt mir in die Kommentare oder per Mail
Ende September beginnt der erste Achtsamkeitskurs zu den IDG´s in Köln! Infos folgen. Interessiert?
Meine Blog-Artikel zur Achtsamkeit
Achtsamkeit – Lebst du schon den Moment oder bist du nur aufmerksam?
Aufmerksamkeit und Achtsamkeit: Was ist der Unterschied?
Der Achtsamkeitskurs Living Mindfulness: Vorteile und Nachteile
Tradition trifft Zukunft: Mein Beitrag zur Transformation mit Yoga, Achtsamkeit und Meditation